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Risikominimierungsmaßnahmen für Nicht-Ziel-Organismen bei der Verabreichung von Parasitenmitteln

Die Insekten, die im und vom Dung der Wiederkäuer leben sind wichtiger Teil der Nahrungskette in der Natur. Am Ende können z.B. manche Vögel ihre Jungen schlechter aufziehen, weil zu wenige Larven vorhanden sind. Von allen mit dem Kot ausgeschiedenen Wirkstoffen, die eigentlich gegen Würmer oder parasitische Gliederfüßler (Räude) gerichtet sind, wird die Entwicklung und Fortpflanzung von Dungbewohnern geschädigt. Allerdings gibt es große Unterschiede. Die unterschiedlichen Wirkstoffe schädigen unterschiedliche Tierarten unterschiedlich stark.
Besonders gefährlich sind die Pyrethroide, die gegen Weidefliegen aufgegossen werden und die Avermectine. Von denen ist offenbar Doramectin der schädlichste Wirkstoff. Moxidectin soll etwas weniger toxisch sein. Boli und Long-Acting-Präparate, die ständig Wirkstoff abgeben, sind wahrscheinlich besonders schädlich, weil sie über die ganze Weidesaison die Fortpflanzung mancher Dunginsekten verhindern könnten. Der Landwirt kann das Risiko für die Dunginsekten verringern, indem er

  • unnötige Behandlungen vermeidet.
  • nicht alle Tiere auf einer Fläche gleichzeitig behandelt.
  • behandelte Tiere (Junginder) benachbart zu unbehandelten (Kühe) auf die Weide stellt.
  • in der Vermehrungszeit der Insekten (Frühsommer und Sommer) möglichst ökologisch sichere Wirkstoffe (Benzimidazole, Levamisol) verwendet.
  • Avermectin- und Pyrethroid-behandelte Tiere zeitweise (ca. 2 Wochen) aufstallt.

Kurzzeitanthelminthika (KA)

Zu den kurz wirksamen Entwurmungsmitteln gehören die Benzimidazole wie Albendazol, Fenbendazol, Febantel und Oxfendazol, aber auch Levamisol. Die Wirkung der Kurzzeitanthelminthika beschränkt sich im Wesentlichen auf die aktuelle Vernichtung einer vorhandenen Wurmbürde und verhindert, dass Unmengen von Eiern ausgeschieden werden können. Werden nach der Behandlung erneut Larven aufgenommen, können sie sofort wieder zu Würmern heranwachsen, die wiederum Eier ausscheiden. Die unerwünschte, weil toxische Wirkung auf Dunginsekten ist ebenfalls kurz.
Bei Rindern (im Gegensatz zu Schafen und Ziegen) sind die Benzimidazole und Levamisole noch gut wirksam. Eine Wirksamkeitskontrolle des Behandlungserfolges ist 7 - 10 Tage nach Behandlung sinnvoll, um eine Anthelminthikaresistenz zu erkennen.

Langzeitanthelminthika (LA)

Die lang wirksamen Präparate kommen aus der Gruppe der makrozyklischen Laktone und wirken zusätzlich gegen eine Vielzahl von äußerlichen Parasiten (z.B. Räude). Die Wirkstoffe teilt man ein in Avermectine (z.B. Doramectin, Eprinomectin und Ivermectin) und Milbemycine (Moxidectin). Die Präparate haben eine deutlich längere Wartezeit und dürfen in der Regel bei milchliefernden Tieren und 60 Tage vor dem Abkalbetermin nicht angewendet werden. Bei Aufguß-Präparaten gibt es Ausnahmen. Eine Wirksamkeitskontrolle des Behandlungserfolges ist 14 Tage nach Behandlung sinnvoll, um eine Anthelminthikaresistenz zu erkennen. Die Wirkung der Langzeitanthelminthika soll bis zu 6 Wochen anhalten. Dies ist je nach Präparat unterschiedlich. Bitte fragen Sie dazu Ihren Tierarzt. Ein Präparat, das subkutan am Ohr appliziert wird, soll bis zu 120 Tage gegen Reinfektionen mit Ostertagia und anderen Arten schützen.
Es besteht also die Möglichkeit, kurz nach dem Austrieb zu behandeln und dann jeweils in den vom Hersteller empfohlenen Abständen die Behandlung zu wiederholen, um einen stetigen Wirkstoffspiegel aufrecht zu erhalten. Dieses Verfahren fördert erheblich die resistenten Anteile einer Wurm-Population und sollte möglichst vermieden werden. Wirksamkeitseinbußen in der Rinderhaltung sind auch in Deutschland bereits nachgewiesen. Außerdem stört es bei den Jungrindern den Aufbau einer körpereigenen Immunität gegen die Würmer.
In der ökologischen Tierhaltung wäre diese ständige Medikation als unzulässige Prophylaxe abzulehnen.
Die Avermectine, hier besonders Doramectin und Ivermectin aber auch Eprinomectin, schädigen die Dunginsekten erheblich. Werden alle Jungrinder den ganzen Sommer über unter Wurmmitteln gehalten, können sich auf dieser Weide z.B. manche Schwingfliegen nicht fortpflanzen, weil 100% der Nachkommen sterben.

Boli

Ein Bolus ist eine Kapsel mit Wirkstoff, die über eine Schlundsonde eingegeben wird und im Vormagen verbleibt. Der Bolus gibt das Arzneimittel über einen längeren Zeitraum (z.B. über 3 Monate lang) direkt in den Magen-Darm-Trakt ab. Der Einsatz ist nur sinnvoll, wenn Rinder nicht umgetrieben werden, sondern die ganze Zeit auf einer verwurmten Standweide grasen.
Da eine ausreichende Serumkonzentration erst nach ca. 21 Tagen erreicht wird, besteht nach Angaben der Hersteller die Chance, dass die Jungtiere eine gewisse Immunität erwerben könnten. Allerdings selektiert diese Methode besonders stark auf die anthelminthikaresistenten Teile der Wurmpopulation.
Wenn ein Bolus nicht vermieden werden kann, sollten vielleicht (um die Dungfauna und die anderen Tiere dieser Nahrungskette zu schonen) eher solche Boli gewählt werden, die in Intervallen eine therapeutische Dosis eines Kurzzeitanthelminthikums zur Verfügung stellen (Pulse Release Typ, PR), anstatt ständig kleine Wirkstoffmengen freizusetzten (Sustained Release-Typ, SR). Avermectinhaltige Boli sind in der EU nicht mehr zulässig.
Im Ökolandbau kann ein Bolus als unzulässige prophylaktische Behandlung betrachtet werden und ist deshalb grundsätzlich nicht angezeigt.

Liste der Anthelminthika

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